«So etwas bringt Favre innerlich um»
Von Thomas Niggl. Aktualisiert um 10:46
Er konnte schon als Spieler nie verlieren. Und als Trainer schon gar nicht. Nach dem 0:4 in Dortmund schlägt Gladbachs Coach Lucien Favre Alarm.
Die deftige 0:4-Niederlage von Borussia Mönchengladbach am Samstag zum Saisonstart in Dortmund geht dem Schweizer Trainer Lucien Favre tief unter die Haut. Und wer ihn kennt, weiss, dass das den mit 57 Jahren ältesten Bundesligatrainer auch in seinem Stolz trifft. Bereits einen Tag danach ergriff der Romand erste Massnahmen.
Während Dortmunds Trainer Thomas Tuchel, der Nachfolger des zurückgetretenen Jürgen Klopp, seine Spieler mit zwei freien Tagen belohnt, ordnete Favre für seine Verlierer ein 90-minütiges Straftraining an. Es gab ein Spiel elf gegen elf über eine volle Matchdauer.
«Alle raus»
Lucien Favre ist ansonsten ein umgänglicher Mensch, der mit Journalisten und Fans stets charmant, aber auch hochprofessionell umgeht. Doch am Sonntag war ihm die schlechte Laune ins Gesicht geschrieben. «Alle raus», fauchte er lauthals über den Trainingsplatz. Journalisten und Fans mussten beim Straftraining draussen bleiben.
In der Tat: Favre hatte mit seinen Spielern einiges aufzuarbeiten. Seine Mannschaft hatte gegen den BVB nicht den Hauch einer Chance. Notabene gegen ein Team, das in der letzten Saison lange auf dem letzten Platz stand und in akuter Abstiegsgefahr schwebte.
«Müssen aufpassen, dass es nicht gefährlich wird»
Favre erkannte nach seinem 149. Bundesligaspiel die Übermacht des Gegners denn auch neidlos an. «Dortmund war klar besser, hatte ein beachtliches Niveau. Das Tempo war zu hoch für uns. Wir hatten am Anfang ein, zwei gute Konter, aber danach ging nichts mehr», analysierte Favre. Es habe zu viele Fehler gegeben und zu wenig Geduld. Die ganze Mannschaft habe Probleme bekundet und sei im Kollektiv untergegangen.
«Wir haben viel Arbeit vor uns und müssen jetzt aufpassen, dass es nicht gefährlich wird», schlägt der ehemalige Schweizer Nationalspieler schon nach dem ersten Saisonspiel Alarm. Eigentlich wollte Gladbach in dieser Saison zu einem ernsthaften Verfolger der Bayern werden. Doch für Gladbachs Manager Max Eberl ist jetzt schon klar, wenn er ohne Illusionen sagt: «Die Dortmunder sind wieder Bayern-Jäger und werden es wohl auch bleiben.»
«Das Schlimmste für ihn»
Gladbachs ehemaliger Captain und Torhüter Jörg Stiel kennt die Gladbacher Szene nach wie vor und verfolgt den Verein auch heute noch. Der Aargauer pflegt regelmässigen Kontakt zu Gladbachs Manager Max Eberl. Und Stiel kann sich auch sehr gut in Lucien Favre hineinfühlen. «Eine solche Niederlage wie in Dortmund bringt ihn innerlich um», sagt Stiel.
Gladbach habe in diesem Spiel alles vermissen lassen, was Favre von seinem Team eigentlich verlange. «Favre ist ein akribischer Arbeiter und detailbesessen. Das Schlimmste für ihn ist, wenn seine Mannschaft wie in Dortmund taktisch völlig unorganisiert ist und praktisch kein einziger Spieler seine Normalform findet.» Das gelte für einmal auch für Torhüter Yann Sommer. «Beim ersten Tor von Reus stand er in der richtigen Ecke. Normalerweise hält Yann diesen Ball. Aber das weiss er bestimmt auch selber.»
«Die Höchststrafe»
In Dortmund könne man zwar auch mal verlieren. «Aber nicht in dieser Art und Weise.» Stiel denkt aber auch, dass die 0:4-Niederlage durchaus auch eine heilsame Wirkung haben könnte. «Es ist absolut richtig, dass Favre schon einen Tag danach Alarm geschlagen hat. Die Mannschaft musste während 90 Minuten hart trainieren und unter wettkampfmässigen Bedingungen ein internes Spiel absolvieren, in dem Favre korrigierte und noch einmal klarmachte, was einen Tag zuvor nicht funktionierte. Für einen Spieler ist das nach einer Niederlage wie in Dortmund die Höchststrafe, wenn er an einem vermeintlich freien Sonntag trainieren muss.»
(baz.ch/Newsnet)
Erstellt: 17.08.2015, 12:19 Uhr