• Anstatt ewig über die längst vergangengen Massnahmen zu diskutieren, welche Meinung jeder einzelne hatte, Konjunktive anzuwenden wie es wann anderes gewesen wäre (was eh keiner weiss..) mal was anderes:

    Im Dezember kam ein Interview mit Frank Urbaniok im Tagi Abo wo es mehr um den Umgang mit allem geht. Ich für mich kann da viel mehr mitnehmen, als mich ständig über etwas aufzuregen (und zwar funktioniert das beidseitig, egal über was man sich aufregt.) Ich kann weder Massnahmen beinflussen, noch kann ich Menschen beinflussen die meiner Meinung nach zu wenig machen, aber ich kann versuchen das ganze ein bisschen pragmatisch zu sehen.


    «Wir sind als Gesellschaft nicht mehr sehr stressresistent»

    Der Psychiater ist spezialisiert auf Aggressionen und erklärt, weshalb die Gereiztheit rasant zunimmt.

    Zahlreiche Unternehmen schildern, dass ihre Kundschaft zunehmend gereizt ist. Was genau sorgt für diese Covid-Wut?

    Der Nährboden dafür wurde lange vor Corona gelegt. Die Stimmung in der Gesellschaft ist seit langem aufgeheizt, es herrscht eine eigentliche Empörungsbewirtschaftung. Das führt zu Angespanntheit und erhöhter Reizbarkeit. Und das wiederum dazu, dass Respekt und Normen verloren gehen.

    Was meinen Sie damit?

    Tabus werden immer öfter verletzt. Der Respekt gegenüber Institutionen hat abgenommen, aktiv geschürt durch politische Parteien. Das hat Auswirkungen: Auf einmal tun breite Bevölkerungskreise Dinge, die früher undenkbar gewesen wären. Die Grenzen dessen, was als akzeptabel gilt, geraten ins Rutschen.

    Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür?

    Vor 15 Jahren gab es aus den USA erste Berichte, dass Feuerwehrleute und Sanitäter beim Ausüben ihrer Tätigkeit angegriffen würden. Wir fanden das damals unvorstellbar. Heute sind diese Angriffe auch bei uns Realität. Das zeigt, wie sich Normen auflösen. Es gibt immer mehr Leute, die sich darüber hinwegsetzen, weil sie finden: Regeln und Normen gelten für uns nicht.

    Zitat
    «Es wird zum ständigen Lebensgefühl, sich zu empören, und bekommt etwas Identitätsstiftendes.»

    Aber warum?

    Wir leben in einer Zeit der Superlative. Wir sind mit dem Internet und den sozialen Medien einer Tendenz zur Emotionalisierung und Skandalisierung ausgesetzt, die es so noch nie gab. Die Überflutung mit entsprechenden Reizen hat Folgen. Sie macht viele Menschen empfänglich für Polarisierungen nach dem Motto Schwarz-Weiss, Entweder-Oder, Freund-Feind. Die Wahrnehmung wird dadurch auf Extreme und absolute Dogmen trainiert. Es wird zum ständigen Lebensgefühl, sich zu empören, und bekommt etwas Identitätsstiftendes. Viele Leute spüren sich dann besonders intensiv, wenn sie wütend sind.

    Wie geht man klug mit Wut um?

    Gesunde Wut ist ein klares Zeichen dafür, dass subjektiv eine Grenze überschritten wurde. Deshalb sollte man sie nicht ignorieren oder runterschlucken, sondern reflektieren. Im Idealfall kann daraus sogar etwas Konstruktives entstehen, wenn man sich zum Beispiel bewusst wird, dass einen eine Bemerkung des Arbeitskollegen verletzt hat und das dann anspricht.

    Wann kippt es ins Ungesunde?

    Wenn die Wut zu intensiv erlebt wird und/oder lange anhält. Dann richtet sie Schaden an. Deshalb ist es wichtig, sich nicht reinzusteigern. Sondern zu sagen: Das Leben geht weiter.

    Sind Sie selbst derart gelassen?

    Ich bin tatsächlich sehr selten richtig wütend. Trotzdem empfinde ich natürlich gewisse Dinge als ungerecht, frustrierend oder ärgerlich, und sie lösen etwas aus in mir. Ich ärgere mich aber nicht im Stillen, sondern frage mich meist: Was kann ich dagegen tun? Deshalb bin ich zum Beispiel in den sozialen Medien aktiv. Ich verharre auf diese Weise nicht im Negativen, sondern mache was draus.

    Zitat
    «Wenn die Mutation in einem halben Jahr mit einem Mal so tödlich wäre wie Ebola, dann ist das, was wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben, Kindergarten dagegen.»

    Aber gegen ein Virus kann man nichts ausrichten, das sorgt ja gerade für dieses Ohnmachtsgefühl. Wo soll man da mit der Wut hin?

    Wir können das Virus nicht aus der Welt schaffen, stimmt. Ohnmächtig sind wir aber nur, wenn man die Sache absolut sieht. Und je absoluter man etwas betrachtet, desto mehr entfernt man sich von einer konstruktiven Lösung.

    Was ist denn eine konstruktive Lösung für Wut angesichts von Corona?

    Indem man relativiert. Corona ist nervtötend und gefährlich, ja. Aber wenn die Mutation in einem halben Jahr mit einem Mal so tödlich wäre wie Ebola, dann ist das, was wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben, Kindergarten dagegen. Dann sind das fast schon paradiesische Zustände. Solche Vergleiche helfen, um die Situation nüchtern einzuordnen.

    Also mehr Pragmatismus?

    Richtig. Die Situation ist mühsam, für alle. Aber anstatt sich am Virus oder den Massnahmen abzuarbeiten, sollte man sich besser darauf einstellen. Das fällt uns aber offenbar schwer, weil wir als Gesellschaft nicht mehr sehr stressresistent sind.

    Geht es uns zu gut?

    Das ist zweifellos der Hauptgrund. Wir haben diesen absoluten Anspruch, dass immer alles perfekt sein muss, funktionieren muss. Tut es das nicht, reagieren wir gereizt. Dabei ist es doch so: Für Millionen von Menschen sind Infektionskrankheiten eine Realität, sie müssen ganz selbstverständlich mit Massnahmen umgehen. Wir sind deswegen gleich extrem gestresst, empfinden auch geringe Einschränkungen als ungeheuerliche Zumutung.

    Wenn man jetzt nicht so begabt ist für Pragmatismus: Was kann man tun, um sich wenigstens etwas abzugrenzen?

    Der erste Schritt besteht darin, sich überhaupt bewusst zu werden, dass das, was man fühlt, Wut ist und dass Wut kein Dauerzustand sein sollte. Als zweiter Schritt hilft, darüber zu reden. Alles weitere ist eine Frage der Einstellung: Will man sich dauernd empören und miteinstimmen in den Chor, der einmal mehr alles eine Katastrophe findet, oder geht man spazieren, liest ein Buch oder wendet sich anderen positiven Dingen zu?

    Zitat
    «Es ist eine kolossale Fehlüberlegung zu meinen, dass Wut weggeht, wenn man nur lange genug auf die, die wütend sind, eingeht. Das Gegenteil ist der Fall.»

    Wie lässt sich diese ungute Entwicklung stoppen?

    Es ist zu hoffen, dass uns das gelingt, denn sie sollte uns Sorgen machen. In Südamerika ist Bandenkriminalität eine brutale Realität des Alltags. Auch das war früher weit weg, heute ist diese Form von Gewalt in den Niederlanden und in Schweden angekommen. Unser gesellschaftliches Konstrukt ist viel fragiler, als viele meinen, es ist nicht in Stein gemeisselt und für alle Ewigkeit garantiert. Wir täten gut daran, wieder zu lernen, dass die Dinge selten schwarz-weiss sind. Das auch auszuhalten und mit unserem Gemeinwesen sorgsam umzugehen.

    Apropos aushalten: Wäre die Gereiztheit kleiner, wenn die Politik rigoroser durchgegriffen hätte, also zum Beispiel von Anfang an auf eine Impfpflicht gesetzt hätte?

    Absolut. Wir haben in vielen demokratischen Ländern ein Führungs- und Entscheidungsproblem. Es mag unpopulär tönen, aber klare Ansagen sind wichtig, sie sorgen für Orientierung. Es ist eine kolossale Fehlüberlegung zu meinen, dass Wut weggeht, wenn man nur lange genug auf die, die wütend sind, eingeht. Das Gegenteil ist der Fall. Gegen jene, die wütend sein wollen, können Sie nicht viel ausrichten. Aber die anderen, die Trittbrettfahrer, die sich davon anstecken und mitreissen lassen, könnte man ins Boot holen. Dass die Politik eine Impfpflicht anfangs kategorisch ausgeschlossen hat, war eine bequeme, aber sehr unkluge Aussage.

  • Was blabberst Du von spätherbst 2020 und dem lockdown?! Ich habe geschrieben wir hatten sehrsehr lasche massnahmen bei DELTA IM VERGLEICH zu fast allen (merksch öppis?!)

    die delta variante breitete sich ab ca. september 20 aus. und praktisch sämtliche massnahmenverschärfungen ab spätherbst sind delta geschuldet.

    der unterschied zu fast allen anderen: einige hatten noch ausgangssperren und in allem nachbarländern waren die skigebiete geschlossen. was genau soll ich merken? :nixwiss:

    NieUsenandGah

  • Es wird zum ständigen Lebensgefühl, sich zu empören, und bekommt etwas Identitätsstiftendes. Viele Leute spüren sich dann besonders intensiv, wenn sie wütend sind.

    Sehr gut auf den Punkt gebracht. Die Frage ist nur, ob das die Betroffenen auch wahrnehmen können?

  • Die Frage ist nur, ob das die Betroffenen auch wahrnehmen können?

    Das glaube ich nicht. Hat auch mit dem Dunning-Kruger-Effekt zu tun.

    PS: Ist wirklich ein gutes Interview mit Urbaniok, danke fürs posten. Es schadet sicher nicht das eigene Verhalten ab und zu zu hinterfragen. Ausserdem wird es Zeit, dass sich jeder wieder etwas mehr an der eigenen Nase nimmt (nicht auf das Forum bezogen, sondern generell). Etwas mehr mit- statt gegeneinander wäre schön.

    2 Mal editiert, zuletzt von Dani8 (1. Februar 2022 um 11:32)

  • die delta variante breitete sich ab ca. september 20 aus. und praktisch sämtliche massnahmenverschärfungen ab spätherbst sind delta geschuldet.

    der unterschied zu fast allen anderen: einige hatten noch ausgangssperren und in allem nachbarländern waren die skigebiete geschlossen. was genau soll ich merken? :nixwiss:

    Oktober 2020 wurde Delta in Indien entdeckt. Ab April 21 dann in Europa nachgewiesen. Im Juni und Juli wecbselte es dann dass es in Europa hauptsächlich Delta Fälle waren.

  • Oktober 2020 wurde Delta in Indien entdeckt. Ab April 21 dann in Europa nachgewiesen. Im Juni und Juli wecbselte es dann dass es in Europa hauptsächlich Delta Fälle waren.

    stimmt!

    aber umso unverständlicher, warum ab spätherbst 20 derartige massnahmenverschärfungen eingeführt wurden.

    und ja, ari, demfall hatten wir tatsächlich relativ lasche massnahmen während delta, vor allem verglichen mit unseren nachbarländern.


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    NieUsenandGah

  • PS: Ist wirklich ein gutes Interview mit Urbaniok, danke fürs posten. Es schadet sicher nicht das eigene Verhalten ab und zu zu hinterfragen. Ausserdem wird es Zeit, dass sich jeder wieder etwas mehr an der eigenen Nase nimmt (nicht auf das Forum bezogen, sondern generell). Etwas mehr mit- statt gegeneinander wäre schön.

    Schliesse mich dem zu 100% an.

  • us de woz:

    LONG COVID

    Ausser Atem

    Von chronischer Erschöpfung bis zu psychischen Krankheiten, die erneut ausbrechen: Die Folgen einer Coronainfektion können heimtückisch sein. Der Fotograf Andreas Seibert begleitet Long-Covid-Betroffene.

    Von Andreas Seibert (Text und Fotos)

    Fast zwei Millionen Ansteckungen mit dem neuen Coronavirus hat das BAG seit Beginn der Pandemie registriert. Auffallend viele Patient:innen leiden unter langwierigen Verläufen. Wie viele der Erkrankten Long Covid entwickeln, ist noch schwer zu sagen – Studien gehen von mindestens zehn Prozent aus (vgl. «Langzeitfolgen müssen auf die politische Agenda»).

    Klar ist, dass Long Covid allein in der Schweiz schon jetzt das Leben Zehntausender verändert hat. Wie geht eine leistungsorientierte Gesellschaft mit Menschen um, die diese Leistung nicht mehr erbringen können? Die oft nicht wissen, wie sie sich am nächsten Tag fühlen werden? Was für ein Gesundheitssystem brauchen sie? Meine Porträtserie soll kein Mitleid erregen, sondern Verständnis für die Situation der Betroffenen schaffen.

    Mirjam Lüscher (46), Basel, Mitarbeiterin einer schulischen Tagesstruktur

    Durch das Stubenfenster sind Flugzeuge am stahlblauen Himmel zu sehen. Scheinbar mühelos gewinnen sie nach dem Start an Höhe. Dann drehen sie nach Westen ab und sind kurz darauf nur noch als kleine schwarze Punkte zu erkennen. Neulich erst wollte Mirjam Lüscher eines der Fenster reinigen. Nach wenigen Minuten begann ihr Herz zu rasen, und sie musste aufhören.

    Vor ihrer Coronainfektion Anfang Oktober 2020 ist Lüscher gesund und sportlich. Am 7. Oktober bekommt sie Fieber und bleibt gut drei Wochen in Selbstisolation zu Hause – trotz Atemnot. Auch nach der akuten Infektionsphase fühlt sie sich nicht gesund. Da ihr Hausarzt nicht glaubt, dass es Long Covid gibt, und sie nicht krankschreiben will, sucht sich Lüscher einen neuen Mediziner, der sie betreut. Die Arbeit beginnt sie mit reduziertem Pensum und mithilfe von Asthma- und Schmerzmedikamenten. Kurz darauf verschlechtert sich ihr Zustand, und sie muss ihre Weiterbildung unterbrechen.

    Nach der Impfung im Sommer 2021 verbessert sich Lüschers Zustand ein wenig, doch dieses Hoch ist nur von kurzer Dauer. Nach etwa zwei Wochen kehren die meisten Symptome zurück. Lüscher besucht heute eine Long-Covid-Sprechstunde mit ambulanten Therapien. Da sie zu hundert Prozent arbeitsunfähig ist, wird ihr in der Sprechstunde empfohlen, sich bei der IV anzumelden. Doch sie wäre lieber weiterhin berufstätig.

    In ihrem Freundeskreis nimmt das Verständnis für ihre Situation unterdessen ab: Sie solle mehr Sport machen und früher ins Bett gehen; jeder sei mal müde; sie solle sich nicht dauernd mit Long Covid beschäftigen, das tue natürlich nicht gut. Sie würde gerne ihre Arbeit wiederaufnehmen und mit ihrer Weiterbildung fortfahren; würde gerne wieder Sport treiben, Feste besuchen und Freund:innen treffen. Aber sie kann nicht. Ihr Leben mit Long Covid, sagt sie, sei wie ein Zug, in dem sie nicht sitze. Sie stehe am Bahnhof und sehe zu, wie der Zug an ihr vorbeiziehe.

    Lara Karcher (31), Muttenz BL, Online Campaign and Content Manager

    Ende 2019 reist eine Arbeitskollegin von Lara Karcher für vier Wochen nach China. Als sie zurück in der Firma ist, werden mehrere ihrer Kolleg:innen krank, einige von ihnen entwickeln Lungenentzündungen. Auch Karcher erkrankt. Nach ihrer Coronainfektion entwickelt sie ganz unterschiedliche Symptome: Sie leidet unter Geschmacksverlust, hat Husten, Hautprobleme, Zuckungen und Haarausfall. Von den Ärzt:innen, die sie aufsucht, fühlt sie sich nicht ernst genommen. Als sie eines Morgens mit einer schwarzen Zunge aufgewacht sei, habe ihr Arzt am Telefon gefragt, ob sie Blaubeeren gegessen habe.

    Ihre Fingernägel, die ihr zuvor bei einer gewissen Länge oft abbrachen, werden steinhart, es kommt ihr vor, als würden ihr Klauen wachsen. Karcher versteht ihren Körper nicht mehr.

    Bis jetzt hat sie keine Therapie gegen ihre Symptome gefunden. Eine Ärztin empfahl ihr eine psychiatrische Behandlung. Da sie sich so früh infiziert hat, konnte man bei einem Test Mitte 2020 keine Antikörper nachweisen. Unterdessen hat sie aber die Bestätigung, dass sie von Long Covid betroffen ist.

    Patrizia Lang (32), Eschlikon TG, vierfache Mutter

    Anfang 2020 scheint Patrizia Langs Glück perfekt. Die Familie zieht in ein schönes Haus in Eschlikon im Thurgau, und am 15. März kommt ihr viertes Kind zur Welt. Am 6. November erkrankt Patrizia Lang jedoch an Covid. Sie hat Fieber, für sie neuartige Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Atembeschwerden. Dazu kommen Schwindel und das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Eine Ambulanz bringt sie ins Spital.

    Neurologisch scheint sie gesund zu sein und wird wieder entlassen. Ihr Mann, ebenfalls an Covid erkrankt, erholt sich. Auch ihr Zustand verbessert sich, aber nur für kurze Zeit. Nun leidet sie unter Taubheitsgefühlen in Armen und Beinen, Muskelschwäche, unsicherem Gang, Durchfall, Übelkeit, Druck im Kopf, Ausschlägen, Haarausfall. Im neuen Jahr geht es ihr zusehends schlechter. Es kommen Sehstörungen hinzu, Geruchshalluzinationen und Atemnot bei der kleinsten Anstrengung. Beim Gehen hat sie das Gefühl, Kisten vor sich herzuschieben. Beim Gang zur Toilette rast ihr Herz wie bei einem Marathon.

    Lang kann ihre vier Kinder nicht mehr selber betreuen und sucht Hilfe beim Roten Kreuz. Als sie erneut kollabiert, wird sie ein weiteres Mal ins Krankenhaus gebracht. Mit der dortigen Behandlung ist sie nicht zufrieden. Erst als sie ins Universitätsspital Zürich verlegt wird, erhält sie die Diagnose Long Covid. Es folgen mehrere Wochen Rehabilitation in Liechtenstein. In dieser Zeit verpasst sie den dritten und den fünften Geburtstag ihrer Söhne, den jüngsten hat sie in der Reha und im Krankenhaus bei sich. Seinen ersten Geburtstag muss Lang mit ihm alleine feiern, ohne ihre Familie. Als sie wieder zu Hause ist, fühlt sie sich alleine gelassen, denn sie ist immer noch krank, erhält keine staatliche Unterstützung, keine Therapie und keine Medikamente, die wirklich helfen.

    Nach der zweiten Moderna-Impfung bekommt sie Sehstörungen. Im Universitätsspital Zürich lautet der Verdacht auf das Visual-Snow-Syndrom. Derzeit ist sie deshalb im Inselspital Bern in Behandlung. Nie hätte sie gedacht, dass sie so lange krank sein würde. Ihr Baby, sagt Lang, habe viel Farbe in ihre schwierige Situation gebracht. In der Reha habe der Junge laufen gelernt und ihr täglich gezeigt, wie man nach dem Hinfallen wieder aufstehe.

    Geneviève Morin (51), Basel und Hégenheim, bildende Künstlerin

    Der Husten beginnt Mitte März 2021. Kurz darauf setzt heftiges Fieber ein. Geneviève Morin begibt sich zu Hause in Selbstisolation. In der Nacht vom 23. März hat sie einen schrecklichen Albtraum: Mit wahnsinnigem Tempo dreht sich eine Art CD in ihrem Kopf. Immer an der gleichen Stelle wird sie plötzlich gestoppt. Im Traum erkrankt sie an Alzheimer und versucht immer wieder, klare Gedanken zu fassen, ist aber dazu nicht in der Lage. Völlig erschöpft wacht sie auf und meint, sie sei tatsächlich an Alzheimer erkrankt. Aus Angst vor diesem Traum will sie nicht mehr schlafen, meidet ihr Bett und liegt auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer. Am frühen Morgen des 26. März beginnt ihr Herz unregelmässig zu schlagen. Morin ist überzeugt, dass sie nicht an Corona, sondern an einem Herzschlag sterben wird, und ruft ihre Ärztin an.

    Kurz darauf steht ein Notfallteam in Schutzkleidung vor ihrer Tür, und Morin wird mit einer Lungenentzündung notfallmässig ins Krankenhaus gebracht. Dort bleibt sie bis Ende März.

    Dann entwickelt sie eine manische Phase, in der sie drei Tage lang ohne Unterbruch telefoniert. Sie geht davon aus, dass ihre Coronainfektion die manisch-depressiven Phasen, an denen sie vor 29 Jahren bereits litt, die sie aber unter Kontrolle hatte, erneut ausgelöst hat.

    Den April verbringt sie in einem Haus im Basler Jura, um sich zu erholen. Dann setzen depressive Phasen ein, die so schlimm werden, dass sie in der Psychiatrischen Klinik der Universität Basel Hilfe sucht. Dort verbringt sie den ganzen Juli. Im August folgt ein Aufenthalt in der Klinik Sonnenhalde in Riehen. Der behandelnde Arzt stellt die Diagnose Long Covid und bestätigt Morins Vermutung, dass die Erkrankung bei ihr erneut manisch-depressive Phasen ausgelöst hat.

    Danach beginnt Morin langsam wieder mit ihrer künstlerischen Arbeit. Da ihre Werke sehr persönlich sind, geht sie davon aus, dass ihre Erlebnisse während und nach ihrer Covid-Erkrankung immer wieder in ihre Kunst einfliessen werden.

    Sina Kuhn (40), Zürich, Senior Consultant

    Sina Kuhn erkrankt im September 2020 mittelschwer an Covid. Die Krankheit dauert rund drei Wochen und fühlt sich wie eine schwere Grippe an. In dieser Zeit ist sie alleine zu Hause in Isolation. Als sie sich besser fühlt, fährt sie nach Baden, um ihren Partner zu besuchen. Sie bekommt aber kaum Luft und schafft es nur knapp bis zu seiner Haustür. Der behandelnde Pneumologe meint, ihre Atemnot sei psychisch bedingt, sie solle sich beruhigen.

    Vor ihrer Coronainfektion war Kuhn gesund. Sie achtete auf ihren Körper, praktizierte jeden Tag Yoga, tanzte Salsa, trieb viel Sport, ging wandern. Heute kann sie ihren Körper nicht mehr richtig einschätzen. Sobald sie über ihre Leistungsgrenze hinausgeht – die viel tiefer ist als vor der Infektion –, erlebt sie einen «Crash». Dann muss sie sich hinlegen, möglichst alles ausblenden, vor allem Licht und Geräusche. Bis sie sich erholt hat, braucht sie etwa zwei Tage.

    Nach ihrer ersten Coronaimpfung im Juni 2021 verschlechtern sich Kuhns Symptome enorm. Seither ist sie relativ stark von Long Covid betroffen. Auch nach der zweiten Impfung bleiben die Symptome mit den typischen Schwankungen bestehen.

    Im Sommer 2021 gönnen sich Kuhn und ihr Partner eine Ayurvedakur. Danach fühlt sie sich fast so gut wie vor ihrer Erkrankung. Sie fahren ans Meer, doch als Kuhn ins Wasser watet, erleidet sie einen weiteren Crash – für ihren Körper ist der Unterschied zwischen Wasser- und Körpertemperatur zu gross.

    Heute geht es Kuhn nicht besser, aber sie hat ihren Zustand akzeptiert und gelernt, mit ihm umzugehen. So sind kleine Ausflüge oder Restaurantbesuche möglich – wenn sie sich gut vorbereitet und danach erholen kann.

    Christian Salzmann (52), Vordemwald, Journalist und Radiomoderator

    Es ist Oktober 2020, die zweite Coronawelle rollt durch die Schweiz. Christian Salzmann und seine Partnerin verabreden, dass sie sich gegenseitig keine Vorwürfe machen werden, sollte eine:r von beiden das Virus nach Hause bringen. Dann erkrankt Salzmanns Partnerin, eine Pflegefachfrau, wenig später auch er. Beide begeben sich in Isolation und durchleben die Coronainfektion alleine.

    Nach einigen Tagen ruft Salzmanns Partnerin an und sagt, sie bekomme keine Luft mehr. Seine Angst ist gross, und da sich auch sein Zustand jetzt schnell verschlechtert, weiss er nicht, ob sie sich nochmals wiedersehen werden. Unter grosser Anstrengung und mit der Hilfe eines befreundeten Notars setzt er sein Testament auf. Glücklicherweise erholen sich beide und können ihre Arbeit wieder aufnehmen.

    Vier Wochen später, Salzmann hat soeben eine Radiosendung hinter sich, kommt die Krankheit zurück: Plötzlich hat er keine Energie mehr. Er bricht fast zusammen, kann sich gerade noch an seinem Sendepult festhalten. Auch seiner Partnerin geht es wieder schlechter. Seit Dezember 2020 leiden beide an Long Covid. Salzmann leidet an Atemnot, chronischer Erschöpfung, wandernden Gliederschmerzen, Konzentrationsproblemen, Empfindungsstörungen in Armen und Beinen und Schlafstörungen. Immer wieder riecht für ihn einige Tage lang alles nach Autoabgasen. Hektik und Stress verträgt er nur noch schlecht. Die massive Depression, in die Salzmann kurz nach Beginn der Long-Covid-Erkrankung gestürzt ist, hat inzwischen nachgelassen. Allerdings kommen immer wieder depressive Verstimmungen zurück.

    Salzmann begibt sich für neun Wochen in Rehabilitation. Während es ihm langsam etwas besser geht, verschlechtert sich der Zustand seiner Partnerin erneut.

    Heute muss er sich entscheiden, ob er einkaufen geht oder einen Spaziergang macht; für beides reicht seine Energie nicht. Nicht zu wissen, wie lange er von Long Covid betroffen sein wird, macht ihm Angst. Hoffnung geben ihm verständnisvolle Menschen in seinem Umfeld, sein Glaube und die Erforschung neuer Medikamente gegen Long Covid.

    Wenn Salzmann wieder gesund ist, so hat er sich vorgenommen, wird er vieles nicht mehr so ernst und nicht so persönlich nehmen wie vor seiner Coronainfektion. Und er will für Menschen da sein, die Hilfe brauchen – so wie er jetzt.

    NieUsenandGah

  • Wenn es wirklich 10% sind, dann ist das massiv! :wow:

    Man spricht in der Regel von Long Covid wenn man 6 Wochen nach der Infektion noch eingeschränkt ist. Ich denke jetzt wo so richtig schön die Zahlen stabil hoch bleiben kann es dann vorallem in ein paar Monaten interessant sein was da so übrig bleibt.

    • Offizieller Beitrag

    Long wäre für mich, wenn das hängen bleibt. Das wäre tatsächlich nicht geil!

    Bei einer Erkältung habe ich normalerweise auch noch mehrere Wochen Husten und beim Sport kommt noch längere Zeit einiges hoch.

    Ist wohl nicht zu vergleichen, aber da spricht niemand von Long Erkältung oder so was.

    Wenn es schlussendlich auch nach ein paar Monaten komplett weg wäre, wäre es nicht etwas, das man überdramatieren müsste, denke ich. Mühsam allemal, aber unter "long" würde ich schon mehr verstehen und sicher gibt es da auch genügend Fälle. 10% kann ich mir aber nicht vorstellen und hoffe es natürlich auch nicht!

    Und nein: Ich will es nicht verharmlosen. Tut mir leid für jeden Einzelnen, der betroffen ist! Wie bei fast allen anderen Krankheiten auch!

  • hau den lukas! :geil:

    aber mal im ernst: jetzt wo selbst die experten omikron mit grippe vergleichen, gibts wirklich keinen einzigen grund mehr für massnahmen. auch (vor allem!) keine maskenpflicht mehr! am 17.02.2022 sollte darum der schweizerische freedom day sein.

    ja, ich weiss, die risikogruppen wehren sich jetzt. man müsse sie weiterhin schützen, darum im öv und läden weiterhin maskenpflicht…ich kann mich aber nicht erinnern, dass sich in der letzten grippewelle 2017, die selben gruppen speziell geschützt hätten oder die restgesellschaft dieser gruppe speziell vorsichtig begegnet wäre.

    ausserdem muss jetzt mit omikron die zeit der empfehlungen und selbstverantwortung beginnen. diejenigen, welche sich schützen müssen/wollen, wissen das. niemand hindert sie daran, an heiklen orten eine ffp2 maske aufzusetzen und den in den letzten 2 jahren antrainierten abstand weiterhin einzuhalten.

    Coronavirus: Lukas Engelberger steht mit Brems-Kurs alleine da
    GDK-Chef Lukas Engelberger preschte vor und plädierte für langsame Corona-Lockerungen. Praktisch alle Kantone wollen aber eine Turbo-Öffnung. Wie kam es dazu?
    www.nau.ch

    NieUsenandGah

  • schweizerische freedom day sein.

    Bitte nicht mit so seich anfangen :P

    Wir waren immer frei

    selbstverantwortung

    Man wechselt jetzt ja effektiv von einer gesellschaftlichen Schutzpolitik zur individuellen und dazu gehört halt selbständig zu entscheiden wo man sich freiwillig einschränkt oder mit Massnahmen sich trotzdem sicher fühlt teilzunehmen. Die Solidarität soll einfach beidseitig gewährleistet sein. Leben und leben lassen.

    • Offizieller Beitrag

    Bitte nicht mit so seich anfangen :P

    Wir waren immer frei

    Man wechselt jetzt ja effektiv von einer gesellschaftlichen Schutzpolitik zur individuellen und dazu gehört halt selbständig zu entscheiden wo man sich freiwillig einschränkt oder mit Massnahmen sich trotzdem sicher fühlt teilzunehmen. Die Solidarität soll einfach beidseitig gewährleistet sein. Leben und leben lassen.

    Ach was. Wir werden am 17.2. unseren Schwurbler ...... ähm sorry, Freedom-Day haben. Genau so wie die die Amis am 6.1.2021 versuchten

    ihre "echte" Freiheit zurückzugewinnen!

    Dass sich man sich weiterentwickelt, dass gehört auch zu den Blasphemien dieser Leute. "Bei der letzten Grippenwelle musste man keine Maske ....." etc. etc.

    Obwohl das in vielen asiatischen Ländern als völlig normal angesehen wird.

    Hey, vor 40 Jahren musste man sich auch nicht angurten - wo bleibt denn dieser Freedom-Day? Kann ja wohl selber entscheiden, ob ich mich angurte oder

    nicht, dammi nomal. Es soll alles so bleiben wie immer. Oder besser gesagt, es soll so bleiben wie ICH das haben will und es MIR passt.

  • Zertifikat abschaffen, weil es keinen (oder für Ari, fast keinen) Nutzen bringt.

    An gewissen Orten (ÖV oder wo viele Leute aufeinandertreffen) noch ein bisschen die Maske zu tragen, halte ich jetzt nicht für so tragisch. Das schränkt die Freiheit auf jeden Fall nicht wirklich ein.

    Sehe ich definitiv genau so...

    Zum Thema Maske: wenn ich mir so überlege dass es Ärzte, Pfleger, Laborangestellte etc. gibt, die auch ohne Pandemie täglich eine Maske tragen müssen. Bei diesem massiven Eingriff in ihre Freiheit über Jahre oder Jahrzehnte müssen die ja alle schwerst depressiv und akut selbstmordgefährdet sein...

  • An gewissen Orten (ÖV oder wo viele Leute aufeinandertreffen) noch ein bisschen die Maske zu tragen, halte ich jetzt nicht für so tragisch. Das schränkt die Freiheit auf jeden Fall nicht wirklich ein.

    tragisch ist es tatsächlich nicht, auch nicht wirklich freiheitseinschränkend, dafür aber komplett sinnlos. und sinnbefreites erachte ich grundsätzlich als unnötig. daher sollte es ab 17.02. keine pflicht, sondern nur noch eine empfehlung geben.

    das teil dient doch nur noch dazu die leute daran zu erinnern, dass die pandemie noch nicht vorbei ist. ohne diese überall sichtbaren masken würde es, ausserhalb des gesundheitswesen, nämlich kein mensch merken, dass sie noch nicht vorbei ist.

    NieUsenandGah

    Einmal editiert, zuletzt von snowcat (11. Februar 2022 um 13:37)

  • Zum Thema Maske: wenn ich mir so überlege dass es Ärzte, Pfleger, Laborangestellte etc. gibt, die auch ohne Pandemie täglich eine Maske tragen müssen. Bei diesem massiven Eingriff in ihre Freiheit über Jahre oder Jahrzehnte müssen die ja alle schwerst depressiv und akut selbstmordgefährdet sein...

    nein, da macht die maske sinn und wird auch für das gebraucht, für was sie ursprünglich erfunden wurde: gegen bakterienübertragung.

    NieUsenandGah

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