- Offizieller Beitrag
Die Wohltäter der Liga
Von Simon Graf
Die ZSC Lions bilden die Goalies für die Konkurrenz aus. Tim Wolf dürfte der Nächste sein, der geht.
Es war kein sanfter Einstieg, den Marc Crawford seinem Ersatzgoalie Tim Wolf am Samstag zumutete. Zehnmal nacheinander hatten die ZSC Lions zuvor an der Saane verloren und dabei 47 Tore kassiert. Und nun sollte der 21-Jährige bei seiner Saisonpremiere diese schwarze Serie durchbrechen. Es begann nicht gut, liess doch Wolf bereits in der 6. Minute einen haltbar scheinenden Weitschuss von Plüss auf der Fanghandseite passieren. Doch danach steigerte er sich und trug mit seinen Paraden dazu bei, dass die Zürcher bis zum Schluss auf einen Punkt hoffen durften. Doch es wurde wieder nichts. Das 2:3 bestätigte die Tendenz, dass sie es nicht schaffen, die umkämpften Spiele gegen die Topteams auf ihre Seite zu zwingen. Es fehlt nicht viel, aber immer fehlt etwas. Und das kann kein Zufall sein.
Mit gewissen Situationen sei er zufrieden, mit anderen nicht, analysierte Wolf nach der vierten Niederlage im vierten NLA-Spiel, das er von Beginn bestritten hatte. Aber auf jeden Fall sei es für ihn eine gute Erfahrung gewesen, im Freiburger Reizklima zu spielen. Crawford hatte ihm erst bei der Ankunft in der BCF-Arena mitgeteilt, dass er spiele, obschon das der Coach schon vor drei Wochen festgelegt hatte. «Wir hatten nun drei Spiele innert fünf Tagen, und nächste Woche folgen drei weitere», erklärte Crawford. «Deshalb machte es Sinn, Flüeler eine Pause zu gönnen.» Mehr war es aber nicht. Der Stammgoalie hält so gut, hat 93,57 Prozent der Schüsse abgewehrt und im Schnitt nur 1,88 Tore zugelassen, dass Wolf nicht mehr sein kann als der Lückenbüsser.
Flüeler habe bislang einen Match mehr gespielt als geplant und Wolf folglich einen weniger, rechnete Crawford vor. «Mir ist klar, dass er Spielpraxis sammeln muss. Und das wird er voraussichtlich bei GCK tun.» Das Problem ist, dass man dort mit Melvin Nyffeler, dem nächsten aufstrebenden Goalie, sehr zufrieden ist. Der 18-Jährige, der an der U-20-WM in Ufa bereits die Schweizer Nummer 1 war, beeindruckt mit seiner Konstanz und wird als noch talentierter eingestuft als Wolf. Mit anderen Worten: Die ZSC-Organisation hat ein Luxusproblem, produziert mehr gute Goalies, als bei ihr spielen können. Ironischerweise ist Flüeler, den Simon Schenk nach dessen Jahr im kanadischen Juniorenhockey zu GCK lotste, ein früherer Flyers-Junior.
Neidischer Blick nach Biel
Flüeler hat in diesem Winter den nächsten Schritt gemacht, und wenn er so weiterfährt, könnte für ihn Nordamerika nochmals zum Thema werden. Schliesslich ist er erst 24. Sein Vertrag ist gültig bis 2017, jener von Wolf läuft nach dieser Saison aus. Er dürfte neidisch auf Lukas Meili schielen, seinen früheren Kollegen bei GCK, der nun in Biel Stammgoalie ist. Da Wolf weiss, dass er nicht an Flüeler vorbeikommt, wird er sich nach Alternativen umschauen. Die nächste Herausforderung für die Zürcher wäre es dann, Nyffeler Perspektiven zu bieten. Leonardo Genoni und Reto Berra verliessen die ZSC-Organisation, weil sie hinter Ari Sulander keine Chance sahen. Meili ging, Wolf dürfte gehen, Nyffeler ist der nächste Aufstrebende.
Von den Feldspielern konnten die Zürcher in den letzten Jahren immer mehr in die erste Mannschaft einbauen. Geering, Cunti und Kenins sind zu Schlüsselspielern gereift, Schäppi ist auf einem guten Weg, Zangger, Künzle und Senteler geniessen derzeit viel Eiszeit. Doch im Tor kann eben nur einer stehen. Die Zürcher sind, was diese Position betrifft, die Wohltäter der Liga, bilden die Goalies aus für ihre Konkurrenten. Aber wenn Flüeler so gut hält wie bisher, muss ihnen das keine Sorgen bereiten.
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