«Die gescheiteste Nummer, die es gibt»: Am Samstag verstummt das Sporttelefon 164 – es ist das Ende einer Ära
Die Telefonnummer 164 versorgte Generationen von Schweizerinnen und Schweizern mit Sportinformationen. Einst wurde sie von Adolf Ogi gerettet.
Die schweizerisch-österreichische Filmikone Maximilian Schell sagte über die Kurzwahl 164 einmal: «Das ist die gescheiteste Nummer, die es gibt.» Schell, 2014 verstorben, war ein sportinteressierter und oscarprämierter Kosmopolit. Er wählte die 164 regelmässig, es war seine Verbindung zum Universum des Schweizer Sports, wenn er gerade wieder zwischen Wien und Los Angeles durch die Welt jettete.
Wie ihm erging es Generationen von Schweizerinnen und Schweizern. Seit der Gründung im Jahr 1955 wählten Millionen von Menschen die Nummer, um zu erfahren, wer am Lauberhorn gewonnen hat oder ob Bruno Risi das Zürcher Sechstagerennen für sich entscheiden konnte. 164, schrieb der «Sport» einst, sei eine Tätowierung im Langzeitgedächtnis jedes Sportinteressierten.
Auf einem meist dreiminütigen Band konnte sich aufdatieren lassen, wer nach Neuigkeiten gierte. Erst von Damen mit wohlklingenden Stimmen in Cadenazzo eingesprochen, später automatisiert per Computer.
Flanieren in Havanna, aber Servette im Kopf: 164 bot Abhilfe
Im Prä-Internet-Zeitalter war die dreisprachig angebotene 164 die praktisch einzige Möglichkeit, in Echtzeit zu kostbaren Informationen über Sportereignisse zu kommen: Ein Sportstakkato für all jene, die nicht warten wollten, bis am nächsten Morgen die Zeitung im Briefkasten lag. Und deren Fernseher noch über keinen Teletext verfügte. Oder die auch in der Ferne darüber sinnierten, was in der Nationalliga A wohl gerade passierte.
Es war unerheblich, ob man frei von Sorgen in Havanna am Malecón entlangschlenderte. Ruhen konnte die Seele erst, wenn man wusste, dass Servette in der Heimat gegen Basel gewonnen hatte. Manchmal hatte man Pech und traf auf die Verkündung der Toto-Zahlen, die immer direkt nach den Fussballresultaten kamen. Dann musste man hektisch nach neuen Münzen für die Fernsprechanlage suchen, weil sich das Band nicht vorspulen liess.
Der Service bescherte der PTT und später der Nachrichtenagentur Sportinformation während Jahren Traumrenditen, er war so lukrativ, dass die 164 phasenweise als Kopfsponsor bei Mitgliedern des Ski-Nationalteams auftrat. In den 1970er und 1980er Jahren lagen die Zugriffszahlen bei über zehn Millionen Anrufen. Entsprechend entschieden kämpfte die Sportinformation um den Erhalt der Kurzwahlnummer. Schon Mitte der 1990er Jahre sollte die 164 abgeschaltet werden, doch eine Intervention beim damaligen Kommunikationsminister Adolf Ogi brachte die Wende.
Peter Frei, von 1989 bis 2009 Chefredaktor der Sportinformation, erinnert sich: «Ich kannte Ogi aus seiner Zeit als Direktor des Skiverbands. Er erkundigte sich gelegentlich auch nach dem Befinden der Sportnachrichtenagentur. Ich sprach bei ihm im Bundeshaus Ost vor und bat ihn, die Nummer 164 im Interesse des Sports weiterhin laufen zu lassen. Ogi erkannte als bester Sportkenner im ganzen Bundeshaus sofort die Bedeutung und fand mit dem ihm unterstellten Bundesamt für Kommunikation eine Lösung für den vorderhand weiteren Betrieb der Nummer. Solange mindestens sechs Millionen Anrufe pro Jahr eingingen, sollte dieser gewährleistet bleiben.»
Diesen Wert erreicht die 164 schon lange nicht mehr. 2008 waren es noch 1,8 Millionen Anrufe und 2021 bemerkenswerte 221 000, zu 1 Franken 40 pro Minute. Die Nummer ist für den neuen Betreiber Keystone-SDA noch immer sehr rentabel, nicht zuletzt die Resultate von Skirennen sowie der Fussball- und Eishockeymeisterschaft werden weiterhin nachgefragt. Das ist erstaunlich in einem Land, in dem 2021 laut dem Bundesamt für Statistik 98 Prozent der Bevölkerung auf einem Mobiltelefon das Internet nutzten.
Auch die «sprechende Uhr» muss weichen
Doch zum Jahreswechsel verschwindet die Nummer für immer, nach der Revision des Fernmeldegesetzes ist es nicht mehr erlaubt, Informationsdienste via Kurznummern zu verbreiten, sie sind fortan für Notfalldienste reserviert. Neben der 164 muss auch die 161 zügeln, die offenbar ebenfalls immer noch rege genutzte «sprechende Uhr» der Swisscom.
Aus der 164 wird die 0900 164 164. Sandro Mühlebach, der Leiter Content-Development bei Keystone-SDA, sagt: «Wir verfügen über eine sehr treue Kundschaft. Die Anzahl Anrufer ist noch immer beachtlich, deshalb haben wir uns dafür entschieden, das Angebot in unveränderter Form weiterzuführen. Der Nummernwechsel ist eine grosse Herausforderung, aber wir hoffen, dass die Kunden mitkommen.»