- Offizieller Beitrag
Problematische Zürcher Selbstfindung
Von Simon Graf, Zürich
Die ZSC Lions verloren auch ihr zweites Heimspiel, 0:3 gegen Bern, und offenbarten, dass bei ihnen vieles noch Stückwerk ist.
Das Positive für die ZSC Lions vorweg: Die Saison ist noch jung, und sie haben noch viele Trainings und Spiele vor sich, um sich zu verbessern. Das Negative: Das ist auch bitter nötig. Denn die Zürcher hinterliessen auf dem Weg zur zweiten Heimniederlage einen konfusen Eindruck. 0:3 stand es am Ende gegen einen SC Bern, der mit nur gerade fünf Verteidigern angetreten war und sich noch weit weg von seiner Hochform befindet.
Nach dem dritten Berner Tor ins leere Zürcher Gehäuse verliess ein Grossteil der 6676 Zuschauer ernüchtert das Hallenstadion. Einige dürften es sich das nächste Mal zweimal überlegen, ob sie den Weg nach Zürich-Oerlikon wieder antreten werden.
Von Aufbruchstimmung ist bei den ZSC Lions, die nochmals kräftig investiert haben, jedenfalls noch nichts zu spüren. Die Mannschaft steckt immer noch tief in der Findungsphase, scheint die Ideen des neuen Starcoaches Bob Hartley noch nicht verinnerlicht zu haben. Würde ein weniger prominenter Mann an der Bande stehen, die Rezensionen würden wohl noch etwas schärfer ausfallen. Der Kanadier bewahrte nach dem mässigen Auftritt die Contenance und versicherte den Journalisten, er habe nicht in der Kabine herumgeschrieen. «Selbstzerfleischung bringt uns nicht weiter», erklärte er. «Aber natürlich haben wir noch einen langen Weg vor uns. Zum Glück haben wir ein Team von harten Arbeitern.»
Hauptproblem: Toreschiessen
Vielleicht hätte sich die Zürcher Verkrampfung etwas gelöst, wenn sie ein Tor geschossen hätten. So wie gegen den EVZ, als sie nach einem 1:4 mit einem kräftigen Finish immerhin noch einen Punkt geholt hatten. Doch der Treffer fiel nicht, oder besser: Er fiel auf Zürcher Seite. Der flinke Vermin war in der 44. Minute vor dem Tor schneller als Blindenbacher und verwertete einen Querpass Déruns’ zum 1:0. Die Führung gab den Bernern Aufschwung, der sonst diskrete Ritchie (52.) erhöhte auf 2:0, weil er schneller war als Schnyder. Und schliesslich liess Gardner (59.) Blindenbacher beim 3:0 schlecht aussehen. Erst sieben Sekunden zuvor hatte der tadellose Flüeler sein Tor verlassen.
Hartley sah ein harziges erstes Drittel und eine Steigerung im zweiten und trauerte den verpassten Chancen von Schommer (35.) und Ambühl (53.) nach, die beide das leere Tor nicht getroffen hatten. «Sie haben das sicher nicht absichtlich gemacht», schob der ZSC-Coach mit einem Anflug von Humor nach. Hartley hat das Toreschiessen, schon letzte Saison als Hauptproblem, als Schwachpunkt seines Teams ausgemacht. In sechs von neun Dritteln haben die Zürcher kein Tor zustande gebracht. Doch die Problematik beginnt schon hinten, bei der Angriffsauslösung. Ein schneller erster Pass gelang den Löwen fast nie, der Puck wird viel zu lange getragen. So kam bei den ZSC-Angriffen nie Tempo auf.
Nebst Flüeler zählten Tambellini, der erstmals torlos blieb, der unermüdliche Ambühl und Schäppi noch zu den Besseren. Der Jungcenter führte seiner Leistung entsprechend ab der Spielmitte den ersten Sturm an. Noch nicht ihren Rhythmus gefunden haben Blindenbacher und Bärtschi, deren vergangene Saison frühzeitig zu Ende ging. Von den beiden, vom prominenten Zuzug in der Abwehr und vom temporären Captain, müssen mehr Impulse kommen. Am Samstag in Biel ist für die ZSC Lions nun ein Sieg Pflicht, damit nicht schon Nebengeräusche aufkommen. Klar ist inzwischen: Ein NHL-Coach garantiert noch lange kein NHL-Niveau.
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