- Offizieller Beitrag
Zürcher Erleichterung und Fantasien
Das Ende der Playoff-Misere sorgt beim ZSC auf allen Stufen für Freude. Doch Bob Hartley will mehr.
Von Simon Graf, Zürich
Am Tag nach dem grossen Sieg herrscht bei den ZSC Lions die Ruhe nach dem Sturm. Bob Hartley hat den Spielern freigegeben – ein paar verirren sich trotzdem in den «Olymp», wie ihr Trainingszentrum pompös heisst, um die Beine zu lockern. Steve McCarthy wirkt mit seinem bauschigen Playoff-Bart bereits wie ein Grizzlybär, Thibaut Monnet sähe ebenfalls furchterregend aus, wenn er nicht so strahlen würde. Edgar Salis schaut kurz vorbei und sagt in seiner rauen Bündner Sprache: «Wir haben viel Dreck gefressen in dieser Saison. Doch irgendwann kommt immer der Zahltag.»
Die Erleichterung über die erste gewonnene Serie mit ihm als Sportchef ist ihm anzumerken. Auch wenn er zu den Journalisten sagt: «Ich war nur Zuschauer wie ihr auch. Meine Arbeit habe ich vorher gemacht. Aber ob wir Erfolg haben oder nicht, beeinflusst natürlich, wie sie beurteilt wird.» Es sei für ihn «völlig okay», dass er infrage gestellt werde, wenn die Siege ausblieben, schiebt Salis nach. «Dafür werde ich bezahlt. Schliesslich sind wir ein erfolgsorientiertes Unternehmen.» Und wie weit kann dessen Weg im Playoff führen? «Wenn man den Meister 4:0 schlägt, kommen schon gewisse Fantasien auf. Aber Zug war das beste Team der Qualifikation und hat die stärkste Offensive. Wir sind wieder Aussenseiter. Und damit können wir gut leben.»
Hartley: «Das war erst Teil 1»
Der EVZ braucht heute gegen Biel noch einen Sieg, damit der Halbfinal gegen den ZSC feststeht. Hartley wird sich das Spiel im Stadion ansehen. Zu den Zugern mag er sich noch nicht äussern, er sagt nur: «Man kann das Fell des Bären nicht verkaufen, bevor er erlegt ist.» Der Kanadier lässt heute trainieren, am Sonntag und Montag gibt er nochmals frei. «Wir können kurz ausschnaufen, dürfen aber den Fokus nicht verlieren», sagt er. «Die Spieler dürfen sich gut fühlen, aber sie dürfen nicht abheben. Wir haben noch keinen Grund, mit erhobenen Armen herumzulaufen. Denn das war erst Teil 1.» In seinem Selbstverständnis ist nur der Titel gut genug.
Es brauchte eine starke Figur wie Hartley, den nichts kümmerte, was vorher war, und der nicht auf Verträge oder Namen Rücksicht nahm, um die ZSC Lions dazu zu bringen, endlich ihre hehre «Pyramidenstrategie» umzusetzen. Noch nie spielten Junge aus der eigenen Organisation wie Geering, Schäppi oder Cunti solch prominente Rollen wie nun. «Vor zwei, drei Jahren waren unsere Eigengewächse nur Ergänzungsspieler», sagt auch Peter Zahner. «Das ist jetzt anders. Aber man muss zuerst säen, um ernten zu können. Jetzt ernten wir.» Und der CEO gesteht implizit ein, dass die Verpflichtungen von Routiniers wie Paterlini, Ziegler oder Gobbi, die ihren Zenit überschritten haben, Fehler waren.
Auch Zahner ist spürbar froh, dass die Playoff-Misere nach drei Jahren beendet wurde. «Denn irgendwann hinterlässt das Spuren. Bei den Fans, aber auch bei den Sponsoren. Die Sponsorengespräche waren die vergangenen zwei Sommer schwieriger als auch schon. Die Euphorie in den letzten beiden Heimspielen war eine Entschädigung für uns alle. In dieser Halle muss man einfach etwas bieten. Es war schön, zu sehen, wie begeistert die Leute waren, als sich alle in die Schüsse warfen.»
Del Curto lobte Blindenbacher
Auch Hartley spricht gerne von der Hingabe der Spieler, von ihrem Mut, eine Verletzung zu riskieren, auch unter Schmerzen zu spielen. Arno Del Curto zeigte sich, was das betraf, von Blindenbacher beeindruckt: «Er brachte eine Topleistung, obschon er verletzt war. Chapeau. Da sieht man seine Klasse.»
Selbst Hartley, der manchmal wirkt wie ein Roboter, bekommt glänzende Augen, wenn er von der Atmosphäre beim vierten Spiel redet. «In Nordamerika klatschen die Fans, und damit hat es sich. Hier bewegen sie ihre Arme wie verrückt rauf und runter. Faszinierend. Meine Frau hat Fotos geschossen.»
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