da ja nur noch die vollzugsmeldung fehlt, darf man schon einen fred für unsere neuen trainer eröffnen. für mich eine genauso überraschende wie mutige und trotzdem kluge wahl. hätte ich unserer führung gar nicht zugetraut.
us de hütige nzz:
Tüftler aus der Goldstadt
Die Schweden Johansson und Wallson sind wohl die neuen Trainer der ZSC Lions. Sie haben sich in Lappland einen legedären Ruf erworben. Von Nicola Berger, Skelleftea
Die nördlichen Gefilde Schwedens locken mit der Mitternachtssonne und dem Nordlicht. Doch in Skelleftea, einer verschlafenen Kleinstadt im kargen Nirgendwo Lapplands, gibt es neben den Naturschauspielen eine weitere Attraktion: die Eishockeyorganisation von Skelleftea AIK. Die Flugverbindungen in die Hauptstadt Stockholm sind auch darum gut ausgelastet, weil Skelleftea, wegen seiner einstigen Goldvorkommnisse «die goldene Stadt» genannt, zum Pilgerort für neugierige Sportfunktionäre aus aller Welt geworden ist.
In der Kraft-Arena geben sich Manager aus der NHL, der KHL und auch aus dem Profifussball die Klinke in die Hand. Manche, weil sie den Geheimnissen des Vorzeigevereins im europäischen Klubeishockey auf die Schliche kommen wollen. Weil sie eine Antwort auf die Frage suchen, wie man es schafft, jenseits der urbanen Zentren eine Dynastie zu zimmern. Denn das ist Skelleftea AIK: Der Klub misst sich im Play-off-Final mit Frölunda, es ist die sechste Endspielteilnahme in Serie.
Interessantes Experiment
Und dann gibt es Besucher, die versuchen das Personal abzuwerben. Was der russische Verband nicht schaffte, ist den ZSC Lions gelungen. Die Zürcher dürften in der kommenden Woche die Zuzüge des Cheftrainers Hans Wallson, 49, und des Sportchefs Lars Johansson, 45, verkünden. Der Transfer könnte ein interessantes Experiment werden; es wird die Frage beantworten, ob sich nicht nur Personen, sondern auch Kulturen versetzen lassen.
Wer den Aufstieg Skellefteas und damit einen Teil der Anziehungskraft des Duos Johansson/Wallson ergründen will, kommt um John Slettvoll nicht umhin. Ehe er zum Baumeister des «Grande Lugano» der 1980er Jahre wurde, war Slettvoll, 71, Trainer in Skelleftea. Von seinem nur eine Autostunde entfernten Wohnort Umeå aus verfolgt er das Geschehen noch immer aufmerksam. Er sagt: «Skelleftea ist ein Klub mit einer klaren Vision. Nicht die Trainer und die Spieler geben die Linie vor, sondern der Verein. Und die Nachwuchsarbeit ist exzellent.»
Slettvolls Kompliment gilt nicht zuletzt Johansson, dem Manager, den in der Stadt alle bloss «Lasse» nennen. Johansson hat den Ruf eines Kreativkopfs, eines erstklassigen Strategen mit einem Auge für Talente und einer gewissen Detailversessenheit. Neue Spieler, hört man, unterziehe er umfassenden Charakterstudien. Ein Lokaljournalist sagt: «Es würde mich nicht überraschen, wüsste er, auf welcher Seite seine Spieler jeden Abend einschlafen.» Doch es war nicht nur die Akribie, mit der Johansson sich zum besten sportlichen Leiter des schwedischen Eishockeys hocharbeitete. Da waren auch: die Visionen.
Als er 2008 zum Sportchef aufstieg, vereinheitlichte er die Strukturen und setzte durch, dass das Spielsystem der ersten Mannschaft von sämtlichen Nachwuchsequipen übernommen wird. Die Massnahme hat dafür gesorgt, dass das Kollektiv fast jeden Ausfall kompensieren kann. Die Automatismen sind verinnerlicht, das Team läuft wie ein Uhrwerk - was darum passend ist, weil das System laufintensiv ist; im Spiel ohne Scheibe gibt es nur dieses Credo: laufen, laufen, laufen.
Johanssons Ideen fielen im hohen Norden auf fruchtbare Erde. Denn Skelleftea war 1997 beinahe in den Konkurs geschlittert, verschrieb sich daraufhin der Juniorenarbeit - und revolutionierte diese. Mehr und strengere Einheiten, kognitives Training, strikte Ernährungspläne. Die Massnahmen griffen, bis heute stammt etwa die Hälfte des Kaders aus den eigenen Reihen, was dabei hilft, die Kosten tief zu halten. Für Spielerlöhne gibt das Team in dieser Saison rund 4,8 Millionen Franken aus und zählt dabei bewusst auf bloss zwei ausländische Profis. Zum Vergleich: Der Halbfinalgegner und Vorjahres-Champion Växjö setzte sieben Söldner ein.
Der tiefe Ausländeranteil bei Skelleftea ist bemerkenswert, denn immer wieder müssen Teamstützen kurzfristig ersetzt werden. Unter anderem bedient sich die NHL gerne in der Spielermanufaktur, die beispielsweise John Klingberg (Dallas), Adam Larsson (New Jersey) oder David Rundblad hervorgebracht hat. Letzterer war in der abgelaufenen Saison im ZSC tätig, der Manager Edgar Salis holte im Herbst bei Johansson Erkundungen ein.
Die Häufung an Nordamerika-Exporten überrascht angesichts der Förderung nicht - und tut es doch. Denn in den Nachwuchs wird nur aufgenommen, wer in einem Radius von 30 Kilometern um die Stadt lebt. Das gefiel nicht jedem. «Es gab zornige Eltern», sagt Lars Marklund, 53, der als rechte Hand Johanssons gilt und die U-20-Equipe führt. Marklund hat mit Skelleftea vom Meistertitel bis zur Drittklassigkeit alles erlebt. Er sitzt in der Klubkantine und sagt: «Uns wurde vorgeworfen, dass wir zu viel fordern. Aber auf dem Weg nach ganz oben gibt es nun mal keine Abkürzungen.»
Geschützte Werkstatt
Dass die anfängliche Kritik an der Vereinsführung abperlte, hängt mit den lokalen Begebenheiten zusammen. Der Präsident Per Anders Israelsson ist seit über zwei Jahrzehnten im Amt und garantiert Stabilität, zudem war das Publikum nach Jahren der Zweitklassigkeit wenig anspruchsvoll. Nach dem jüngsten Aufschwung hat sich das geändert, es gibt in der Stadt nichts Wichtigeres als Eishockey, und wenn man durchs Zentrum flaniert, ist jedes Schaufenster mit Klubdevotionalien dekoriert. Und doch: Skelleftea wirkt im Vergleich zum erfolgsverwöhnten Zürich wie eine geschützte Werkstatt. Der mediale Druck ist bescheiden - der «Norran» ist die einzige Lokalzeitung. In Zürich wird das anders sein, auch Slettvoll gibt das zu bedenken. Er sagt: «Als Trainer hat man auch in Skelleftea Druck, aber er ist weniger gross als in der Schweiz.»
Ungeklärt ist bisher die Rollenverteilung zwischen Johansson und Wallson, einem Duo, welches seit gemeinsamen Tagen in Kiruna freundschaftlich verbunden ist. Hier der Manager Johansson, dessen Erfahrung als Trainer überschaubar ist. Dort Wallson, der Meistercoach und schwedische Trainer des Jahres 2013. Auf den ersten Blick scheint die Aufgabenteilung klar, aber die beiden sollen sich die Verantwortung als gleichberechtigte Co-Trainer teilen. Es wäre eine unkonventionelle Lösung, doch wenn sie in Skelleftea eines gelernt haben, dann ist es das: den Tüftler Lars Johansson mit seinen Einfällen gewähren zu lassen.
Zürcher wagen den Kulturwechsel
Im vergangenen Jahrzehnt vertrauten die ZSC Lions fast ausschliesslich auf kanadische Coachs. Die Wahl der neuen Trainer ist eine mutige.
Wenn es um ein Engagement schwedischer Techniker ging, übten sich die ZSC Lions in der Vergangenheit in vornehmer Zurückhaltung. In der Geschichte des Zürcher SC gab es wohl einige schwedische Trainer: Lasse Lilja, später in Arosa gefeierter Meistercoach. Der Davoser Meistermacher Dan Hober. Doch seit der Fusion des Zürcher SC und der Grasshoppers 1997 stand dem Klub nur ein schwedischer Coach vor: Bengt-Ake Gustafsson in der Saison 2010/11. Der Olympiasieger von 2006 übernahm das Amt, nachdem der Klub das verunglückte Experiment mit Colin Muller als Cheftrainer nach 16 Runden vorzeitig beendet hatte. Das Intermezzo endete nach einer desillusionierenden Play-off-Viertelfinalserie gegen Kloten. Möglich, dass die Reserviertheit des ZSC gegenüber Trainern aus Skandinavien bisher damit zusammenhing, dass sämtliche vier Meistertitel des Play-off-Zeitalters mit kanadischen Trainern gewonnen wurden: 2000 war es Kent Ruhnke, ein Jahr später Larry Huras. 2008 der heutige Zuger Coach Harold Kreis, 2012 der nach Calgary weitergezogene Bob Hartley sowie 2014 Marc Crawford, der nach dem 0:4 im Play-off-Viertelfinal gegen Bern nicht mehr weiterbeschäftigt wurde.
Nach einem Jahrzehnt unter mehrheitlich kanadischer Prägung - Gustafsson war der einzige Nicht-Kanadier an der Bande - sucht der ZSC den Bruch: Neue Impulse sollen her, frische Ideen. Das ist mutig, für den Ligaprimus wäre es leicht gewesen, auf die NHL-Coachs Hartley und Crawford den nächsten grossen Namen aus Übersee folgen zu lassen. An Möglichkeiten mangelte es nicht, angeboten wurden etwa Kirk Muller und Craig Berube, beide vor kurzem in Carolina beziehungsweise Philadelphia noch NHL-Cheftrainer. Die Chefetage um den CEO Peter Zahner und den Sportchef Edgar Salis entschied sich für eine mutigere Variante. Sie hoffen auf eine Duplizität der Ereignisse: Als mit John Slettvoll letztmals ein Trainer Skellefteas in die Schweiz wechselte, zahlte sich das für den neuen Arbeitgeber Lugano in vier Titeln aus. Der letzte schwedische Meistertrainer in der NLA war Conny Evensson im EHC Kloten. 22 Jahre ist es her; er war der letzte Coach, dem es gelang, die Meisterschaft zu verteidigen.