Eine US-Amerikanerin in Zürich - Sie liebt das Abenteuer und träumt von Gleichberechtigung
Sie liebt das Abenteuer und träumt von Gleichberechtigung
Skylar Fontaine (24) entschied die Schweizer Eishockey-Meisterschaft für die ZSC Lions und bereiste daneben Europa. Nun steht sie vor einer grossen Entscheidung.
Eine spontane Idee: Wie wäre es mit der kleinen Rundfahrt auf dem Zürichsee? «Hey, ich bin offen», sagt Skylar Fontaine am Bürkliplatz zum Reporter und zum Fotografen. «Was immer ihr wollt.» Doch dann hat das Schiff schon abgelegt, also sprechen wir bei einem Rundgang durch die Stadt über ihr aufregendes Jahr in der Schweiz, ihre Reise in der Eishockeywelt und ihre Pläne.
Ein Mix aus Gefühlen durchströmt die 24-jährige Amerikanerin. Sie ist immer noch euphorisch über das hollywoodreife Saisonfinale mit den ZSC-Frauen, die sie im entscheidenden fünften Spiel gegen Bomo Thun in der Overtime mit dem 3:2 zum Titel schoss. Sie ist wehmütig, weil sie in zwei, drei Wochen Abschied nehmen muss von der Schweiz und ihren liebgewonnenen Teamkolleginnen. Dazu mischt sich die Ungewissheit über ihre Zukunft.
«Ich freue mich sehr darauf, herauszufinden, was das Leben für mich bereithält», sagt sie. «Ich hätte mir nicht erträumen lassen, wie viel ich in diesem Jahr erleben würde. Wer weiss, was in einem Jahr ist.» Eishockey spielen, Europa und neue Menschen kennen lernen, diesen Traum erfüllte sich Fontaine bei den ZSC Lions nach Abschluss ihres College-Studiums an der Northeastern University in Boston. Und sie konnte ihre frühere Studien- und Teamkollegin Katie Cipra motivieren, mit ihr mitzukommen.
«Wir fuhren zum Oktoberfest in München. Was für ein Spass!»
Skylar Fontaine
Die beiden wohnten in Bülach und fanden neben dem Eishockey noch Zeit, die Schweiz und Mitteleuropa zu bereisen. Am Mittwoch waren sie bei strahlendem Wetter am Rheinfall. «Wir fuhren zum Oktoberfest in München. Was für ein Spass!», schwärmt sie. «Wir waren ein paar Mal in Mailand, Paris, Amsterdam und Lissabon. Und bevor wir nach Hause gehen, wollen wir noch ans Meer, nach Mallorca oder Malta. Irgendwohin, wo es wärmer ist.»
Am College hatte Fontaine mit Eishockey und Studium einen durchgetakteten Stundenplan mit Vorlesungen, Training und Hausaufgaben gehabt, von morgens früh bis abends spät. An Partymachen war nicht zu denken. «Wir hatten die 24-Stunden- und die 48-Stunden-Regel. 24 Stunden vor dem Training und 48 Stunden vor dem Spiel darf man keinen Alkohol trinken oder ausgehen.» In Zürich genoss sie nun ihre Freiheiten. Dreimal Training pro Woche, dazu ein oder zwei Spiele – da bleibt noch viel Raum für Freizeit.
Auf die Schweiz hatte sie Alina Müller gebracht, am Northeastern College während drei Jahren ihre Zimmerkollegin und enge Freundin. «Ich telefoniere fast täglich mit ihr», sagt Fontaine. «Ihre Eltern wohnen hier nur 30 Minuten von mir entfernt. Ich wusste, wenn etwas passiert, kann ich mich an sie wenden.» Die Winterthurerin Müller, die bei Northeastern zahlreiche Rekorde brach, schliesst in diesem Frühjahr ihr Studium der Neurowissenschaften mit dem Master ab. Fontaine studierte internationale Beziehungen, Strafjustiz und Kriminologie. Dereinst möchte sie als Anwältin arbeiten.
An einem US-College zu studieren und Eishockey zu spielen, ist wohl der Königsweg für talentierte Spielerinnen. Die Frage, die sich ihnen nach dem Abschluss aber stellt: Und jetzt? Denn grosses Geld gibt es im Frauen-Eishockey nicht zu verdienen. Das ändert sich allmählich. Die grösste Profiliga in Nordamerika, die Premier Hockey Federation, die zurzeit sieben Teams im Osten der USA und Kanadas umfasst, ist auf Wachstumskurs.
«Inzwischen kann man da einen sechsstelligen Betrag im Jahr verdienen», sagt Fontaine. Das sind zwar keine Millionen wie in der NHL, aber es ist ein Anfang. Die Salärbeschränkung pro Team soll auf nächste Saison von 750’000 Dollar auf 1,5 Millionen Dollar erhöht werden, um den Clubs mehr finanziellen Spielraum zu gewähren.
Auch für sie, die sich als kreative Offensivverteidigerin einen Namen gemacht hat, ist die nordamerikanische Profiliga eine Option. Möglich wäre auch, dass sie eine zweite Saison in der Schweiz bleibt und daneben mit einem Job in einer Anwaltskanzlei beginnt. Dass die ZSC-Frauen im Playoff in der Swiss-Life-Arena trainieren und spielen durften, sieht sie als ermutigendes Zeichen. Gegen 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer kamen für das entscheidende Spiel, und in der Pause des dritten Playoff-Spiels der Männer gegen Davos wurden die ZSC-Meisterinnen auf dem Eis gefeiert.
«Es wäre toll, wenn Frauen im Eishockey auch das machen könnten, was Männer tun. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns.»
Skylar Fontaine
Ihre sechs Jahre ältere Schwester Alex begann in der Familie mit dem Eishockey, Skylar eiferte ihr nach, ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Gunnarwolfe spielt ebenfalls College-Hockey, wurde von Nashville gedraftet und hofft auf eine NHL-Karriere. «Es wäre toll, wenn Frauen im Eishockey auch das machen könnten, was Männer tun», sagt sie. «Die Löhne steigen, das kann man in allen Bereichen des Frauenhockeys sehen. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns, aber es gibt definitiv Fortschritte zu verzeichnen.»
Sie selbst ist jedenfalls bereit, das Leben mit beiden Händen zu packen. Was das Reisen betrifft: Irgendwann möchte sie unbedingt noch nach Thailand, dort das Lichterfest erleben und ein Elefantenreservat besuchen. Sie hat noch so viele Pläne und Träume. Wen alle nur Sky nennen, Himmel, richtet wohl automatisch seinen Blick nach oben.